Gemäß Bundesanstalt für Straßenwesen werden jährlich ca. 100.000 Begutachtungen durchgeführt. Nur 2 bis 7 % der Untersuchten werden wegen Punkten oder Straftaten begutachtet. Wenn 8 oder mehr Punkte beim Kraftamt-Bundesamt in Flensburg gespeichert sind, wird eine MPU angeordnet. Aber auch wenn eine erhebliche Straftat oder wiederholte Straftaten begangen wurden (Fahren ohne Fahrerlaubnis, Fahrerflucht, Nötigung im Straßenverkehr). Überraschend für viele Betroffene ist auch die Tatsache, dass die Straftaten und Aggression außerhalb des Straßenverkehrs berücksichtigt werden. Das passiert, weil der Zusammenhang zwischen Kriminalität und Verkehrsdelinquenz als wissenschaftlich gesichert gilt. Es ist anzunehmen, dass dieselben kognitiven und emotionalen Steuerungsmechanismen, die eine fehlende Anpassung an allgemeinrechtliche Regel bedingen, auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr zu Regelmissachtung und riskantem Verhalten führen.
Bei der MPU Prüfstelle schätzt der Gutachter die Problemausprägung mit Hilfe von folgenden Hypothesen ein:
Hypothese V1:
„Der Klient hat aufgrund einer generalisierten Störung der emotionalen und sozialen Entwicklung (z.B. Störung der Persönlichkeit) vermehrt oder erheblich gegen strafrechtliche und ggf. auch verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen. Er zeigt nach einem nachvollziehbaren, in der Regel therapeutisch unterstützten Veränderungsprozess nun keine grundsätzlich antisoziale Einstellung (mehr), ist zur Einhaltung relevanter sozialer Normen und gesetzlicher Bestimmungen motiviert und konnte dies auch bereits erfolgreich über einen längeren Zeitraum umsetzen.“
Hypothese V2:
„Der Klient hat aufgrund problematischer und verfestigter Verhaltensmuster bei verminderter Anpassungsfähigkeit vermehrt oder erheblich gegen verkehrs- und/oder strafrechtliche Bestimmungen verstoßen. Er ist sich mittlerweile, zumeist mit fachlicher verkehrspsychologischer Unterstützung, dieser Zusammenhänge bewusst geworden und konnte angemessene alternative Bewältigungsstrategien entwickeln und stabilisieren, sodass er nun über eine ausreichende Selbstkontrolle bei der Einhaltung von Verkehrsregeln verfügt.“
Hypothese V3:
„Der Klient hat aufgrund von Fehleinstellungen gegenüber Regelbeachtung bei verminderter Anpassungsbereitschaft und aufgrund problematischer Fahrverhaltensgewohnheiten vermehrt oder erheblich gegen verkehrsrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Bestimmungen verstoßen. Es ist mittlerweile jedoch eine weitreichende Einstellungs- und Verhaltensänderung eingetreten, sodass er über eine ausreichende Selbstkontrolle bei der Einhaltung von Verkehrsregeln verfügt.“
An jede Hypothese sind verschiedene Anforderungen zur Problembewältigung gebunden, damit die Gutachter zu einer günstigen Prognose gelangen können. Z.B. für die Hypothese V2 sollte die zu begutachtende Person dem Gutachter nachvollziehbar schildern:
- welche inneren und äußeren Einflüsse für das Fehlverhalten verantwortlich sind
- wie der persönliche Entscheidungs- und Umorientierungsprozess abgelaufen ist
- wie sich seine Sichtweise der früheren Problematik und ihrer Risiken entwickelt hat
- welche Strategien zur Rückfallprophylaxe entwickelt wurden
Die medizinische Untersuchung bei Verkehrsfragestellungen hat folgenden Mindestumfang:
- anamnestische Befragung
- Messung der Pulsfrequenz
- Blutdruckmessung
- orientierende Erhebung eines psychopathologischen Befundes